UN-Sonderberichterstatter kritisiert Versagen der iranischen Justiz

Dr. Ahmed Shaheed, UN-Sonderberichterstatter zu Iran, vor dem UN-Menschenrechtsrat am 12. März 2012. UN Foto/Jean-Marc Ferré

Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Iran, Dr. Ahmed Shaheed, kritisierte gestern vor dem UN-Menschenrechtsrat heftig das Versagen des iranischen Justizsystems. Der ehemalige maledivische Außenminister legte den 47 Mitgliedsstaaten des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen seinen Bericht zur Lage der Menschenrechte in Iran vor. Er zitierte Aussagen von mehr als 140 Zeugen, wonach die „Gewährleistung der Menschenrechte durch die Regierung vielfältige und systematische Defizite aufweise.“
In seinem 36-seitigen Bericht (vgl. hierzu unsere gestrige Meldung) an den Rat betonte Shaheed das allgemeine Versagen des iranischen Justizsystems. Das Versagen habe verglichen mit den bisherigen UN-Untersuchungen zu Iran „ein beispielloses Ausmaß“ angenommen. Die Verletzung von Rechtsstaatlichkeit sei chronisch, sagte er. „Vage definierte Sicherheitsvorschriften” werden in einer Form angewendet, dass die „freie Meinungsäußerung sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit unangemessen eingeschränkt“ sind. „In vielen Fällen berichten Augenzeugen, dass sie wegen Aktivitäten festgenommen wurden, die unter internationalem Recht geschützt sind und dass sie über längere Zeitspannen in Einzelhaft ohne Rechtsbeistand, ohne Kontakt zu ihren Familien und ohne formelle Anklage festgehalten wurden“, berichtete Shaheed.
Der Sonderberichterstatter sprach auch von einem deutlichen Anstieg der Hinrichtungen in der Islamischen Republik – mehr als 600 Fälle registrierte er für das Jahr 2011. Viele Vergehen, die zu diesen Hinrichtungen führten, werden laut internationalem Recht nicht als schwerwiegend eingestuft. Die iranische Regierung habe zudem die Verhaftung von Journalisten und Anwälten verschärft. Ethnische und religiöse Minderheiten seien weiterhin verfolgt. So werden Bahá’í in Verletzung des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte weiterhin willkürlich verhaftet und allein wegen ihrer Religionszugehörigkeit eingesperrt. Sie seien auch „starkem wirtschaftlichem Druck” ausgesetzt, indem ihnen Eigentum, Arbeitsanstellungen und Bildung vorenthalten werden.
Auf der gestrigen Sitzung der 19. Tagung des UN-Menschenrechtsrats stand ein sogenannter interaktiver Dialog zwischen dem UN-Sonderberichterstatter und den Mitgliedsstaaten des UN-Menschenrechtsrates auf der Tagesordnung. Die Sorgen Shaheeds bezüglich der Lage der Bahá’í in Iran wurde von der Mehrheit der Nationen aufgegriffen: etwa 15 Länder hoben die Situation der Bahá’í in Iran ausdrücklich hervor. Der brasilianische Delegierte João Genésio de Almeida Filho sagte, seine Regierung sei besonders besorgt über die Aussage, dass Mitglieder der nicht anerkannten religiösen Gemeinden, insbesondere der Bahá’í-Gemeinde systematisch verfolgt würden. Mit Bezug auf die von staatlicher Seite geförderte Medienkampagne, die die Bahá’í zu dämonisieren sucht, stimmte die Delegierte der Tschechischen Republik, Veronika Stromsikova, den Beobachtungen zu. „Die Regierung toleriert in Verletzung internationaler Abkommen die Diskriminierung der Mitglieder der Bahá’í-Gemeinde als Folge der Verleumdungskampagne.“
Bani Dugal, Sprecherin der Internationalen Bahá’í-Gemeinde bei den Vereinten Nationen berichtete, dass die Bahá’í in Iran „vielfältigen Verletzungen über das gesamte Spektrum bürgerlicher, politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte ausgesetzt sind, die buchstäblich im Kindergarten beginnen und mit der Beerdigung enden.“ „Wir sind mit Ihnen der Meinung, dass das grundlegende Problem darin besteht, dass die Regierung weder den rechtlichen Rahmen vorgibt noch die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips ahndet“, sagte sie an Dr. Ahmad Shaheed gerichtet. „Wie Sie deutlich hervorhoben, herrscht in Iran noch immer Straflosigkeit. Gewisse Personen unterliegen nicht den Gesetzen und Vorschriften, die Machtmissbrauch einschränken sollen.“

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