Deutsche Welle über den Mord an Ataollah Rezwani

Der Mord an den Bahá’í Ataollah Rezwani in Bandar Abbas am 24. August 2013 beschäftigt die Medien. Die Deutsche Welle veröffentlichte auf ihrer persischen Netzseite einen Artikel mit Hintergrundinformationen von Navid Aghdassi, einem Cousin Rezwanis. Der englischsprachige Blog Iran Press Watch übersetzte den Artikel mit dem Titel Ataollah Rezwani, a Baha’i who was murdered because of his popularity.
Von Laura E. Naumann
Deutsche Welle„Er wurde sehr gemocht; die Menschen von Bandar Abbas, ob Muslime oder Nicht-Muslime, hatten eine sehr gute Beziehung zu ihm. Ohne Zweifel war er bei vielen Menschen aus der Region – unabhängig von ihrer Glaubenszugehörigkeit – sehr beliebt.“ Sein Mord sei nichts anderes als religiös motiviert, sagte Navid Aghdassi in einem Interview mit der Deutschen Welle. Am Tag seines Todes besuchte Ataollah Rezwani wie so oft das Haus eines Freundes. Dort sprach er mit einer Person, die Zeuge wurde, wie der Bahá’í ein längeres Telefonat entgegennahm. Nach diesem Gespräch verließ er das Haus und wurde danach nicht mehr gesehen.
Strategie und Ausmaß der Verfolgung
Seit 2011 hat die exzessive Unterdrückung und Verfolgung der Bahá’í im Iran weiter an Fahrt aufgenommen. Aghdassi bekam die Konsequenzen selbst zu spüren:

Nicht nur durch die Nachrichten habe ich erfahren, dass über 200 Bahá’í [seit der Islamischen Revolution] getötet wurden, dass es jungen Bahá’í nicht erlaubt ist, eine Universität zu besuchen, dass uns der Zugang zu Regierungsbehörden versperrt wird und wir auch keine Beschäftigung in diesem Bereich erlangen können. Aber auch andere Erwerbsarten, wie Jobs im Lebensmittelbereich, sind für uns unzugänglich. Die Genehmigungen zum Betrieb einer Bäckerei oder eines Cafés werden uns verwehrt oder nicht verlängert oder wir werden konstanter Verfolgung ausgesetzt, die in Brandanschläge auf Bahá’í-Geschäfte mündet.

In Ataollahs Rezwanis Fall versuchte die Regierung Kunden und Kollegen unter Druck zu setzen, keine Geschäfte mit einem Bahá’í aufzunehmen, so Aghdassi. Allerdings hatte Ataollah Rezwani größte Erfahrungen und ein wertvolles Spezialwissen auf dem Gebiet der Wasseraufbereitung. Das machte ihn für diesen Bereich unentbehrlich. Rezwanis Cousin berichtet gegenüber der Deutschen Welle weiterhin, wie sehr das Geheimdienstministerium daran arbeite, die Firmen unter Druck zu setzen, mit denen Herr Rezwani seit Jahren kooperierte. Die systematische Ausgrenzung ging dabei nicht nur gegen ihn. Auch andere Familienmitglieder waren Sanktionen ausgesetzt. Eine Schwester und ein Onkel waren im Gefängnis, seine Tochter befindet sich noch in Haft.
Navid Aghdassi äußert seine Vermutung, dass der Mord an seinem Onkel organisiert und ein letzter Akt der Verfolgung gewesen war, allein aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Bahá’í-Religion. „Ohne zu übertreiben und auch nicht weil er ein Verwandter von mir war: Herr Rezwani war ein wohlbekannter und meist-geliebter Bahá’í in der gesamten Provinz Hormozgan. Aus diesem Anlass war der Geheimdienst – und ist es immer noch – sehr empfindlich, wenn es um Herrn Rezwani ging.“ Seine Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe gegenüber anderen sah das Ministerium als Plan zur Wiederbelebung von Bahá’í-Gemeindeaktivitäten. Ihm soll sogar nahegelegt worden sein, das Land zu verlassen. Letzteres hatte auch die Internationale Bahá’í-Gemeinde bestätigt.
Es scheint eine generelle Strategie der Islamischen Republik Iran zu sein, Bahá’í direkt oder indirekt aufzufordern, das Land zu verlassen. Aghdassi berichtet, dass Personen, die sich gegen diese Strategie stellen und eine öffentliche Position beziehen, mit Konsequenzen rechnen müssen. Zu diesen Personen zählte auch Ataollah Rezwani. Er half anderen Bahá’í, Probleme zu lösen, die die Regierung ihnen verursachte, berichtet die Deutsche Welle.
Ataollah Rezwanis Cousin beschäftigt sich nun mit der Frage, wer für die rechtmäßige Aufklärung des Mordes sorgt. Denn im Iran seien „Anwälte, die diese Art von Fällen annehmen, an einer Hand abzuzählen“. Shirin Ebadi, Nasrin Sotoudeh, Abdolfattah Soltani und Mohammad Olaeifard waren Anwälte, die Bahá’í-Fälle übernahmen und einen hohen Preis zahlten: „Shirin Ebadi und Mohammad Olaeifard wurden gezwungen, den Iran zu verlassen, und die anderen beiden sitzen derzeit im Gefängnis. Einer der Anklagepunkte gegen sie ist der, die Rechtssache von Bahá’í vertreten zu haben“, so Aghdassi. Gerade auch in einer abgelegenen Provinz wie Bandar Abbas nehme sich niemand einem solchen Fall an. Daher wurde ein Anwalt in Teheran engagiert. Neben der Verfolgungsstrategie der Regierung behindert die Distanz die eigene Aufklärung des Falles zusätzlich, so Navid Aghdassi.

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