Neujahrsgrüße nach Teheran

Mit einem Flashmob am 21. März machte die Baha’i-Gemeinde in Köln zusammen mit zahlreichen Unterstützern auf der Kölner Domplatte auf die Verfolgung der Baha’i im Iran aufmerksam. Unter Präsident Rohani habe sich die Menschenrechtslage der größten religiösen Minderheit im Iran verschärft, so die Initiatoren der Aktion. Anlässlich des Neujahrsfestes „Naw-Rúz“ appellierten die Mitglieder der Religionsgemeinschaft an die iranische Regierung in einem offenen Brief, dem „Kölner Naw-Rúz-Appell 2015“, die inhaftierten Führungsmitglieder der Baha‘i-Gemeinde freizulassen. Namhafte Unterstützer sind Lale Akgün, Günther Wallraf, Mehran Barati, Monsignore Robert Kleine und Hannelore Bartscherer, zusammen mit zahlreichen Kölner Bürgerinnen und Bürgern.
Das Naw-Rúz – Fest ist in vielen orientalischen Kulturen ein traditionelles Fest. Auch für die Bahá’i ist der Frühlingsanfang zugleich der Beginn eines neuen Jahres und als Symbol der geistigen Erneuerung ein Feiertag. Doch statt zu feiern, machten Mitglieder der Kölner Baha’i-Gemeinde zusammen mit zahlreichen Unterstützern mit einen Flashmob auf die skandalöse Situation der Baha´i im Iran aufmerksam.
Der Flashmob unterstützte den „Kölner Náw Ruz – Appell 2015“ mit namhaften Erstunterzeichnern an die iranische Regierung. Der offene Brief und die Aktion auf der Domplatte fordern die iranische Regierung auf, die langjährige Verfolgung der Bahá’i in ihrem Ursprungsland einzustellen und insbesondere die Gruppe der sogenannten „Yaran“  (dt. „Freunde“) freizulassen. Diese sieben Personen waren das informelle Führungsgremium der Gemeinde und sitzen seit knapp sieben Jahren u.a. im berüchtigten Evin-Gefängnis unschuldig in Haft.
Dr. Lale Akgün, Günter Wallraff, Monsignore Robert Kleine, Hannelore Bartscherer und der iranische Menschrechtaktivist Dr. Mehran Barati gehören zu den Erstunterzeichnern des „Kölner Naw-Rúz-Appells 2015“, adressiert an den Leiter des Menschenrechtsrates der iranischen Justiz, Herrn Mohammad Javad Larijani. Man wollte damit ein Zeichen setzen und zum Ausdruck bringen, dass die im Iran unschuldig Inhaftierten nicht vergessen sind, so Christian Henrichs, einer der Initiatoren der Aktion.

„Im Laufe der Jahre sind hunderte Bahá’í illegal und einzig aufgrund ihres Glaubens verhaftet und eingesperrt worden. Zu ihnen zählen auch die sieben „Yaran“, die vor ihrer Inhaftierung die Geschicke der Bahá’í-Minderheit in Ihrem Land informell leiteten. Wir, die Bürger und Bürgerinnen von Köln, appellieren an Sie, sich für die Haftentlassung dieser Bürger im Iran einzusetzen“, fordern die Unterzeichner des offenen Briefes.

Während der Blick der Öffentlichkeit sich vor allem auf die Atomverhandlungen mit dem Land richtet, sind die Menschenrechte gänzlich in den Hintergrund getreten. Mit dieser stillen und zugleich lauten Aktion möchten Kölner damit ausdrücken, dass sie das nicht hinnehmen.
Rosen zupfen und dann umfallen…
Am 21. März standen Baha’í als auch Unterstützer schweigend auf der Domplatte. Rosenblätter wurden gezupft, in die Luft geworfen, kurz darauf sackten die Menschen zu Boden. Sie symbolisierten damit die Folter und Ermordung religiös Andersdenkender. Zeitgleich wurden Briefe der Gefangen an ihre Angehörigen verlesen.
Bei der Aktion anwesend waren auch Baha´i, deren Angehörige im Iran von den Verfolgungen und Diskriminierungen betroffen sind und die an diesem großen Festtag vor allem mit der Sorge leben, dass ihre Eltern, Geschwister oder Freunde ebenfalls jeden Moment unschuldig verhaftet werden können. Der Offene Brief wird von Kölner Bürgern getragen und betont den hohen Wert der Glaubens- und Meinungsfreiheit.

„Uns als Kölnern liegt die Meinungs- und Religionsfreiheit jedes einzelnen Menschen sehr am Herzen, denn wir sehen darin ein unteilbares Recht für jeden Bürger auf der ganzen Welt!“, heißt es in dem Kölner Naw-Rúz-Appell.

Ein Teil der insgesamt 179 Unterschriften wurde bei dem menschenrechtlich motivierten Flashmob auf der Domplatte gesammelt. Die Unterzeichner fordern freundlich aber bestimmt zur Freilassung aller Menschenrechtsaktivisten sowie der nur aufgrund ihres Glaubens Inhaftierten auf.
Eine Kopie des Appells wurde dem Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, MdB Christoph Strässer, übersandt.
Nürnberger Naw-Rúz-Appell
Zeitgleich mit der Kölner Menschenrechtsaktion wurde der iranischen Regierung Naw-Rúz-Grüße aus Nürnberg übermittelt. Der offene Brief, unterzeichnet vom Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg, der Bundestagsabgeordneten Gabriela Heinrich (SPD), den Abgeordneten des Bayerischen Landtages, Frau Vera Osgyan (Bündnis 90/Die Grünen) und Herrn Arif Taşdelen (SPD), der Menschenrechtsaktivistin Maede Soltani sowie der Baha’i-Gemeinde in Nürnberg fordern neben der Freilassung der inhaftierten Führungsriege der Baha’í  ebenfalls, dass der Anwalt und Preisträger des Nürnberger Menschenrechtspreises, Abdolfattah Soltani unverzüglich freigelassen wird.
In dem Offenen Brief aus Nürnberg heißt es unter anderem:

Naw-Rúz steht dabei auch für Neuanfang und die Erwartung vieler Menschen, dass das Neue Jahr lange bestehende Hoffnungen erfüllen wird. Zu ihnen zählen neben mehreren Menschenrechtsverteidigern, die in Ihrem Land seit einigen Jahren inhaftiert sind, auch der Umgang mit den Bahá’i im Iran. Die Wahrung von Bürgerrechten ist in Ihrem Land in den letzten eineinhalb Jahren wiederholt öffentlich thematisiert worden. Herr Soltani hat sich für die Wahrung der Bürgerrechte zahlreicher Menschen eingesetzt. Ähnliches gilt für die sieben Yaran, die in der Absicht wirkten, die Zivilgesellschaft Ihres Landes zu stärken. Sie alle haben die Überzeugung, die auch wir teilen, dass sich Bürger für das Wohl Ihres Landes einsetzen müssen, denn die Herausforderungen der Zukunft können nur solidarisch bewältigt werden. Jedes Land kann stolz auf die Bürger sein, die bereit sind, hierfür alles einzusetzen – selbst den Verlust ihrer Freiheit. Im Jahre 2010 wurden die Yaran zu je 20 Jahren, und Herr Soltani 2012 zu 13 Jahren Haft verurteilt“, so die Unterzeichner des Offenen Briefes aus Nürnberg.

Hintergrund:
Nach wie vor werden zahlreiche Baha’i unrechtmäßig inhaftiert, sie werden aus Hochschuleinrichtungen ausgeschlossen und ihnen wird mit Berufsverboten und erzwungenen Geschäftsschließungen die wirtschaftliche Lebensgrundlage entzogen. Ihre Friedhöfe werden geschändet und in zahlreichen Fällen wird die Beisetzung von Baha’i gestoppt oder behindert. Mediale Hassangriffe gegen Baha’i beliefen sich im vergangenen Jahr auf über 4800 Artikel und Videos im Internet, in denen die Baha’i durch falsche Anklagen, hetzerische Wortwahl und geschmacklose Bildsprache dämonisiert werden.
Derzeit befinden sich 100 Baha’i aufgrund ihrer Glaubenszugehörigkeit in Haft. Nicht zuletzt befinden sich die sieben Mitglieder des ehemaligen inoffiziellen Führungsgremiums der Bahá’í im Iran, die „Yaran“ (dt.: Freunde) seit sieben Jahren in Haft. Fariba Kamalabadi, Jamaloddin Khanjani, Afif Naeimi, Saeid Rezaie, Mahvash Sabet, Behrouz Tavakkoli und Vahid Tizfahm waren Mitglieder einer informellen Koordinierungsgruppe, die sich um die notwendigsten Belange der über 350.000 Mitglieder zählenden iranischen Baha’i-Gemeinde kümmerte. Die Baha‘i repräsentieren die größte religiöse Minderheit des Landes, der es jedoch seit 1983 verboten ist, sich in demokratisch gewählten Gremien zu konstituieren. Seitdem hatte ein informelles Gremium, dessen Mitglieder die Verurteilten waren, ein Teil der Aufgaben übernommen, ehe auch dieses im Zuge der Verhaftungen aufgelöst werden musste. Das Urteil zu jeweils 20 Jahren stützt sich auf haltlose Anschuldigungen und ist bis heute nicht schriftlich bestätigt worden.
Adolfattah Soltani wurde im Jahr 2009 der Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen, was zu seiner Verhaftung führte. Das Urteil lautete auf 13 Jahre Haft und 20 Jahre Berufsverbot – wegen „Annahme eines ungesetzlichen Preises“, „Versammlung und Verdunklung mit systemfeindlicher Absicht“, „regimefeindlicher Propaganda“ und der „Gründung des Defenders of Human Rights Centers“. Der Anwalt und Mitbegründer des von der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi geleiteten Defenders of Human Rights Center hatte sich unter anderem für die zu je 20 Jahren verurteilten sieben führenden Vertreter der iranischen Baha‘i-Gemeinde eingesetzt.

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