Ominöse Verhaftungswelle im Jemen alarmiert Baha’i-Gemeinde in Deutschland.

Die Baha’i-Gemeinde im Nordjemen, der nicht mehr dem Einfluss der anerkannten Regierung von Präsident Hadi untersteht, ist dort seit über zwei Jahren dem Druck und der Willkür bestimmter Behörden ausgesetzt. In der Stadt Sanaa ergingen Mitte April ohne nachvollziehbare Begründungen Haftbefehle gegen mindestens 25 Baha’i. Dabei wird auf sie Druck ausgeübt, ihrem Glauben abzuschwören.
Die unbegründeten und auch widersinnigen Anschuldigungen gegen die Baha’i beinhalten unter anderem, dass sie freundliches, gütiges und rechtschaffenes Verhalten einsetzen würden, um dadurch Menschen zu ihrem Glauben hinzuziehen. Die Vorwürfe ähneln denen, die bereits seit langer Zeit im Iran gegen Baha’i erhoben werden. Es gibt verschiedene Hinweise, dass von iranischer Seite Einfluss auf die Vorfälle im Jemen genommen wird.
Mit den jüngsten Vorkommnissen nimmt die Reihe von Übergriffen gegen die jemenitische Baha‘i-Gemeinde eine beunruhigende Entwicklung an. Im Jahr 2013 war Hamed bin Haydara verhaftet worden. Er wartet noch immer auf eine ordentliche Gerichtsverhandlung, die auch nach jemenitischem Gesetz überfällig ist. Im August 2016 gab es eine Massenverhaftung von über 60 Teilnehmern eines Bildungsprojektes, von denen die Hälfte Baha‘i waren. Einer der Verhafteten, Kaiwan Qaderi, war über acht Monate inhaftiert. Und erst am 5. April wurde ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes in Sanaa, wiederum ein Baha’i, allein aufgrund seines Glaubens verhaftet.
Unmittelbar vor dem Erlass der Haftbefehle am 17. April erhielten Dutzende von Baha‘i bis Mitternacht Telefonanrufe, bei denen sie aufgefordert wurden, sich am nächsten Tag bei Gericht einzufinden. Da jedoch keine gerichtliche Anordnung gegen sie vorlag und die Baha’i sich der jüngsten Verfolgungswelle gegen ihre Gemeinde bewusst waren, schickten sie stattdessen mehrere Anwälte an ihrer statt.
Badiullah Sanai, ein im Jemen bekannter Ingenieur, folgte jedoch der Empfehlung, die ihm bei seiner Arbeit gegeben wurde, sich am Folgetag bei Gericht einzufinden. Er wurde sofort verhaftet. Diese erhärtet den Verdacht, dass die Anordnung, bei Gericht zu erscheinen, als Vorwand für ihre Verhaftung diente.
Am 19. April wurden zwei weitere Baha’i festgenommen. Unter ihnen ist Walid Ayyash, Angehöriger eines bekannten jemenitischen Stammes, der mit einem anderen Baha’i von der Stadt Ibb nach Hudaydah fuhr.
Viele jemenitische Führer verschiedener Gruppierungen haben in der Öffentlichkeit ihr Solidarität mit der Baha’i-Gemeinde geäußert. Sogar einige Schlüsselpersonen der Huthi-Authoritäten in Sanaa, unter deren Gerichtsbarkeit die Verfolgungen stattfinden, darunter auch ein Minister, haben ihre Unzufriedenheit mit der andauernden Verfolgung der Baha’i zum Ausdruck gebracht und die jüngsten Angriffe in den sozialen Netzwerken verurteilt. Bisher allerdings ohne sichtbaren Erfolg.

„Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, diese alarmierenden und für die Zukunft des Jemen Unheil verkündenden Aktionen von jementischen Behörden, einschließlich der Nationalen Sicherheit und der dabei involvierten Staatsanwaltschaft, zu verurteilen. Diese jüngste Verhaftungswelle muss beendet und die inhaftierten Baha’i müssen freigelassen werden“, sagt Ingo Hofmann, Sprecher der Baha‘i-Gemeinde in Deutschland. „Lassen Sie uns nicht dabei zuschauen”, appelliert er eindringlich, “wie sich Willkür und Ungerechtigkeit gegen religiöse Minderheiten in diesem Land aufbauen“, fordert Hofmann.

Viele Baha’i-Familien in Sanaa haben derzeit ihre Häuser verlassen, um nicht grundlos verhaftet zu werden. Darunter auch die Ehefrau von Hamed bin Haydara, die seit über drei Jahren für seine Freilassung kämpft, während sie für ihre drei Töchter sorgt und jetzt selbst befürchten muss, jederzeit verhaftet zu werden.

„ Die Verhaftung der Bahá’i aufgrund ihres Glaubens scheint teil eines weiter gefassten Schlags der Huthi-Saleh Autoritäten gegen Minderheiten zu sein, die ganze Familien in Angst um ihr Leben und das ihrer Angehörigen versetzt, ganz davon abgesehen, dass dies gegen Jemens Verpflichtungen gegenüber internationalem Recht verstößt“, sagt Lynn Maalouf vom Amnesty International Büro in Beirut.

Während der turbulenten Phase des zivilen Konflikts der letzten Jahre haben sich die Baha’i geweigert, sich mit der einen oder anderen Gruppe zu verbünden. Sie sind stattdessen bemüht, sich für das Wohl aller Menschen zu engagieren, besonders auch mit dem Teil der Jugend, der bereit ist, seine Energie und sein Potential in die positive Entwicklung ihrer Gesellschaft einzubringen.

„Wir sind zuversichtlich, dass viele gerecht denkende Menschen im Jemen, gleich welcher Gruppe oder sozialen Schicht sie angehören, sicherlich zustimmen, dass der jemenitischen Baha‘i-Gemeinde erlaubt werden sollte, Seite an Seite mit allen anderen zu leben und zur Entwicklung der Gesellschaft beizutragen, besonders in diesen für das Land so schwierigen Zeiten“, so Hofmann.

 
 
 

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