Zahlreiche Baha’i im Jemen willkürlich verhaftet – Stammesführer zeigen sich solidarisch.

Nach dem jüngsten Aufruf von Behörden in Sana’a/Nordjemen zur Verhaftung jemenitischer Baha’i demonstrierten in der vergangenen Woche Hunderte von Jemeniten gegen diesen willkürlichen Vorgang und verlangten die sofortige Freilassung der bereits inhaftierten Baha’i. Unter den Demonstrierenden waren auch jemenitische Stammesführer und Menschenrechtsaktivisten.
Nach Anordnung dieser Behörden befinden sich derzeit sechs Baha’i in Haft oder in Polizeigewahrsam, unter ihnen auch der Stammesführer Walied Ayyash. Er leidet derzeit unter hohem Fieber, es wird ihm aber ärztliche Behandlung verweigert. Ihre Angehörigen erhalten keine Besuchserlaubnis und Berichten zufolge droht vielen weiteren Baha’i die Verhaftung.
Ein weitere Baha’i ist Wael al-Arieghie, ein jemenitische Baha’i, der von den Behörden in einer überfüllten Straße am 23. Mai in Sana’a verhaftet wurde. Dem Bericht zufolge war Herr Arieghie mit einem Freund unterwegs, der die Umstände der Verhaftung als Entführung darstellt. Ein Fahrzeug stoppte neben den beiden und die Insassen fragten nach Feuer für Zigaretten, so der Freund von Arieghie. Herr Arieghie wurde dann gewaltsam zum Einsteigen in den Wagen gezwungen, während sein Freund es schaffe, zu entkommen.
„Von verschiedenen Quellen  innerhalb des Landes kommen deutliche Hinweise darauf, dass die damit befassten  Behörden vom Iran angewiesen werden, diese unrechtmäßigen Verhaftungsaktionen durchzuführen mit dem Ziel, damit eine Verfolgung der jemenitischen Baha’i-Gemeinde insgesamt einzuleiten“, sagt Prof. Ingo Hofmann, Sprecher der Baha’i-Gemeinde in Deutschland.
Hierzu stellte gestern auch der UN-Sonderbeauftragte für Religionsfreiheit, Ahmed Shaheed, fest: “The recent escalation in the persistent pattern of persecution of the Baha’i community in Sana’a mirrors the persecution suffered by the Baha’is living in Iran.”
“Es überrascht nicht, dass diese Art von Einmischung von außerhalb des Landes die Solidarität der jemenitischen Bevölkerung gegenüber den Baha’i, die ihre Freunde, Nachbarn und Stammesbrüder sind, auf so deutlich sichtbare Weise stärkt und sie sich für ihre Freiheit und Unabhängigkeit einsetzen“, so Hofmann weiter.
Die Verhaftungskampagne gegen die Baha’i im Jemen wird von Rajeh Zayed, einem Mitglied der Staatsanwaltschaft in Sana‘a, angeführt. Berichten zufolge drohte Zayed den Teilnehmern der friedlichen Demonstration am 15. Mai 2017 mit einer Waffe und versuchte Gewalt gegen die Anwesenden zu schüren. In einem Bericht von Vertretern des Bani Mattar Mekhlaf Ayyash Stammes über die Ereignisse vom 15. Mai vor dem Sonderkriminalamt in Sana’a und dem versuchten Zugriff auf die friedliche Demonstration ist hierüber zu lesen:
Die Menge stand friedlich und in vollem Einklang mit dem Gesetz vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft,(..) um ihre Unzufriedenheit gegenüber der unrechtmäßigen Entführung von Scheich Walid Saleh Ayyash zu zeigen. Doch sobald der ehrenwerte Richter Rajeh Zayed ankam, begann er  – ohne Ankündigung und bevor die Menge überhaupt ein Wort sprach – zu schreien und zeigte auf die Stammesführer, die Würdenträger und die anderen Teilnehmer: „Sie sind Ketzer und Agenten Israels“. Er befahl den Soldaten: „Tötet sie und lasst niemanden zurück, sie sind Ketzer und Agenten Israels“, dann schrie er  laut und deutlich: „Heute wird das Blut bis zu den Knien gehen“. Und weitere Worte, die nicht geeignet sind, hier wiederholt zu werden. All dies geschah vor den Demonstranten und den Soldaten und Ansar’u’lláh, die am äußeren Tor des Strafverfolgungsgebäudes standen. Dann ging er hinein und kam kurz darauf wieder, mit einer automatischen Schusswaffe, die von seiner Schulter hing, während er mit lauter Stimme drohte: „Derjenige, für den ihr hier versammelt seid und nach dem ihr fragt, wird nicht freigelassen. Wir werden ihn hinrichten, wir werden ihn töten, und ich fordere jeden Beamten heraus, der sich dagegen wehrt“. Er wiederholte seine Worte: „Heute wird das Blut bis zu den Knien gehen“. (..)
Nach einer kurzen Weile befahl der ehrenwerte Richter Rajeh Zayed den Soldaten und Ansar’u’lláh, die am Tor standen, mit scharfer Munition auf die Demonstranten zu schießen. Das Schießen war intensiv und dauerte 30 Minuten ohne Unterlass. Von den Demonstranten war in dieser Zeit kein falsches Wort zu hören und keine falsche Tat zu sehen, die diese unverantwortliche und blutige Handlung gerechtfertigt hätte. Hunderten von Menschen, die in der Gegend waren sowie Geschäftsinhaber und Bewohner waren Zeuge dieses Vorfalls. (..) Die Soldaten wurden später um eine Erklärung gebeten. Sie sagten, dass sie  den Befehlen des Richter Rajeh Zayed, auf die Menge mit scharfer Munition zu schießen, Folge leisten mussten. Zayed begründete sein Handeln damit, dass die Demonstranten „die Behörden stören und Strafverfolgung in Gefahr bringen.“ Die Soldaten sagten dann, dass sie, als sie die Wahrheit wussten, beschlossen hatten, die Schüsse in die Luft abzufeuern, um Todesopfer zu vermeiden.
 
“Diese Stammesangehörigen und Aktivisten haben mutig ihre Unterstützung für die jemenitischen Baha’i gezeigt, obwohl sie dadurch selbst zu Angriffszielen wurden”, sagt Hofmann. “Ihr Ausdruck an Solidarität und ihr Eintreten für Gerechtigkeit – vor allem in einer Zeit, in der das Land am Abgrund steht, ist für viele ein Hoffnungsschimmer. Hier darf internationale Unterstützung nicht ausbleiben!“
 
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