Das St. Galler Tagblatt aus der Schweiz weist auf die theologischen Ursachen der Verfolgungen gegen die Bahá’í im Iran hin, die nun mit dem Prozess gegen die Führungsriege offen politisch ausgetragen werden.

Das Teheraner Regime wird nicht müde, sich seiner Toleranz gegenüber religiösen Minderheiten zu rühmen. Für Juden, Christen und Zoroastrier sind sogar Sitze im Parlament reserviert. Zwar ist diese Toleranz im Alltag oft das Papier nicht wert, auf der sie garantiert wird. Doch dieses Papier ist immerhin der Koran, dessen Empfänger Mohammed sich in der Tradition jüdischer und christlicher Prophetie sieht. Allerdings als Siegel derselben, also als Künder der letztgültigen göttlichen Offenbarung. Darin liegt das Kernproblem der Bahai-Religion in islamischen Ländern. Sie ist nachkoranisch und stellt mit ihrem Begründer Baha’ullah einen weiteren Propheten in diese Tradition. Für islamische Fundamentalisten sind die Bahai deshalb nicht einfach Andersgläubige, sondern ungläubige Gotteslästerer. Sie stellen den unteilbaren globalen Wahrheitsanspruch des Islam in Frage. Die hochgepriesene Toleranz des iranischen Regimes endet also dort, wo sie sich beweisen müsste – im Aushalten eines Widerspruchs.

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