Shohrehs Geschichte: wie der Iran die Rechte einer Studentin verletzt

Wie viele junge Menschen in der ganzen Welt wuchs auch die Iranerin Shohreh Rowhani in der Hoffnung auf, einmal eine gute Hochschulbildung erlangen zu können. Heute ist sie hingegen in einem System gefangen, das ihr oberflächlich gesehen zwar Bildungschancen verspricht. Eigentlich ist es aber darauf angelegt, sie und andere junge Iranerinnen und Iraner von Bildung abzuhalten.
Shohreh Rowhani ist Bahá’í. Vor einigen Jahren haben die Bahá’í im Iran die Möglichkeit erhalten, an den nationalen Eingangsexamen teilzunehmen, die den Zugang zu den Universitäten des Landen regeln – so auch Shohreh. Dies geschah aufgrund des internationalen Drucks, denn Bahá’í hatten vorher noch nicht einmal theoretisch die Chance, zur Universität zu gelassen zu werden. Nachdem die Regierung aber 2003 davon abließ, bei den Anmeldungen die religiöse Zugehörigkeit abzufragen, nahmen seitdem jedes Jahr auch Hunderte junge Bahá’í teil. Und trotzdem stehen sie an den iranischen Universitäten vor verschlossenen Türen.
Was Shohreh Rowhani widerfuhr, ist umso ungerechtfertigter, als sie zu den besten Studienbewerbern im Land zählte: sie war auf Platz 151 in der Liste der Prüfungsergebnisse für die von ihr gewählten sprachlichen Fächern. Ihre Leistungen gehörten damit zum oberen ein Prozent aller, die jemals zu dem Eingangsexamen antraten.
Ihre beeindruckenden Zensuren spornten sie an, sich sogleich an der Universität ihrer Wahl anzumelden. Da sie in der nordiranischen Stadt Nowshahr lebte, nutzte sie für die Auswahl ihrer Seminare das Internet. Als die Ergebnisse dieser Einträge gelistet wurden, musste sie jedoch feststellen, dass ihre Eingaben als “unvollständig” zurückgewiesen worden waren.
Diese Fehlermeldung bei der Einschreibung an Universitäten ist den jungen Bahá’í bestens bekannt. Schon seit ein paar Jahren taucht der Begriff als einer von verschiedenen Maßnahmen auf, die eigens erdacht wurden, um Bahá’í trotz erfolgreicher Teilnahme am Eingangsexamen daran zu hindern, sich an den Universitäten einzuschreiben.
Ohne sich dadurch abschrecken zu lassen, wandte sich Shohreh Rowhani an das regionale Zulassungsbüro und fragte dort nach, was denn nicht in Ordnung war. „Sie antworteten mir, dass es ‘so gelaufen ist, weil Du Bahá’í bist’“, schrieb sie kürzlich in einem Brief an verschiedene Menschenrechtsorganisationen. “Da Du Bahá’í bist, hast Du kein Recht darauf, an einer Universität aufgenommen zu werden“, wurde ihr gesagt.
Sie beschloss, sich an die nächsthöhere Verwaltungsebene zu wenden und dort gelang es ihr, ein Treffen mit dem Leiter des Zulassungsstelle zu arrangieren. Als sie ihn ansprach, sagte der Beamte einfach, dass es ihm leid täte und er leider nichts tun könne, so Rowhani. „Man kann nichts daran ändern und selbst wenn Du an der Universität eingeschrieben wärest, würdest Du nach drei bis vier Semestern exmatrikuliert werden.“
Sie fragte ihn, ob es anders wäre, wäre sie Muslimin. “Das macht keinen Unterschied, denn Du bist schon bekannt“, zitierte sie den Leiter der Zulassungsstelle. „Deine Familie und alle anderen Bahá’í sind dem Geheimdienst längst bekannt“. Sie schrieb: ”Mir wurde gesagt, dass ich keinen Erfolg haben würde, ganz egal, an wen ich mich wende.“
Was Shohreh Rowhani widerfuhr, ist vielen Tausend Bahá’í im Iran bekannt, die aus religiösen Gründen von der Universität ausgeschlossen sind. Selbst die Glücklichen, die einen Platz erhalten, werden oft während ihres Studiums exmatrikuliert. Vor kurzem wurden zwei Studenten der Technischen Universität in Isfahan daran gehindert, sich für das nächste Semester einzuschreiben, weil ihre Unterlagen angeblich “unvollständig” gewesen seien. Ein Bahá’í, der englische Literatur studierte, wurde von der Universität in Kerman exmatrikuliert, ebenso ein Student der Biochemie aus der Universität in Sahand und ein Physik-Student der Universität Mazandaran. Letzterer hatte bereits acht Semester mit Auszeichnung studiert und war zuvor sogar zu einem Master-Studiengang zugelassen worden.

Seit der Islamischen Revolution von 1979 sind alle möglichen Maßnahmen ergriffen worden, um den Bahá’í den Zugang zu Universitäten und Hochschulen zu verbauen – zunächst wurden sie entlassen, dann wurde ihnen der Zugang direkt verboten.

Seit der Islamischen Revolution von 1979 sind alle möglichen Maßnahmen ergriffen worden, um den Bahá’í den Zugang zu Universitäten und Hochschulen zu verbauen – zunächst wurden sie entlassen, dann wurde ihnen der Zugang direkt verboten. Als Reaktion auf die internationale Verurteilung änderte die iranische Regierung 2003 die Regeln und erklärte, dass Bahá’í nun an den Aufnahmeprüfungen teilnehmen könnten. Als fast Tausend Bahá’í dies in gutem Glauben versuchten, stießen sie auf neue Hindernisse.
Anfangs wurden die Ergebnisse der Eingangsexamen auf Formularen zurückgegeben, in denen bei der Zeile Religionszugehörigkeit „Islam“ eingetragen war. Dies war für Bahá’í nicht akzeptabel, da ihr Glaube ihnen vorschreibt, zu jeder Zeiten die Wahrheit zu sprechen, auch in Bezug auf ihren religiösen Glauben. Daraufhin bekräftigte die Regierung, dass das Wort „Islam“ sich nur auf die für alle Studierende obligatorische Prüfung in einem religiösen Fach beziehe, parallel zu ihren gewählten Studien. Bahá’í könnten sich mit gutem Gewissen für die Hochschule bewerben, hieß es. Ab 2005 gelang es schließlich einigen Bahá’í, sich an verschiedenen Universitäten im Land einzuschreiben. Alsbald wurden sie jedoch wieder exmatrikuliert.
Im Jahr 2007 berichtete die Nachrichtenagentur Reuters, dass etwa 70 Studenten im Verlauf des Jahres aus iranischen Hochschulen ausgeschlossen wurden. In dem Beitrag der Agentur wurde ein anonymer Sprecher der iranischen Gesandtschaft bei den Vereinten Nationen zitiert. Demnach behauptete er: “Im Iran wurde niemand aufgrund seiner Religion vom Studium ausgeschlossen.”
Nach weiteren internationalen Protesten änderte der Iran abermals seine Taktik. Bahá’í, die an den Prüfungen teilgenommen hatten, erhielten einfach keine Prüfungsergebnisse. Auf der nationalen Webseite, auf der die Ergebnisse verzeichnet sind, erhielten viele den Bescheid, dass ihre Unterlagen „unvollständig” gewesen seien. Somit befanden sie sich in einer rechtlichen Grauzone.
In einem Offenen Brief wandte sich die Internationale Bahá’í-Gemeinde letzten Monat an den iranischen Bildungsminister und forderte das Einstellen dieser „ungerechten und unterdrückerischen Praktiken“, die Bahá’í und andere junge Iraner aus den Universitäten fernhalten.
Der Brief sprach auch die Übergriffe der Regierung gegen das Bahá’í Institute for Higher Education (BIHE) an, ein informelles Bildungsnetzwerk für Bahá’í. Am 20. und 21. Mai 2011 erfolgten Razzien bei fast 40 Personen, die mit BIHE zu tun hatten, 18 Personen wurden verhaftet. Einige wurden wieder freigelassen, doch sieben von ihnen mussten seit dem 25. September vor Gericht erscheinen. Dutzende weitere, unter ihnen auch Studenten von BIHE, wurden unter Druck gesetzt, das Projekt aufzulösen. „Wie Sie wissen, sind solche Aktionen als offizielle Regierungspolitik und als Teil einer systematischen Kampagne durchgeführt worden, die Bahá’í-Gemeinde als lebensfähige Einheit in Ihrem Land zu vernichten“, heißt es in dem Offenen Brief an Kamran Daneshjoo, Minister für Wissenschaft, Forschung und Technik.
Für Shohreh Rowhani und ihre Freunde geht der Kampf für ihr Recht auf Bildung weiter. In ihrem Brief an Menschenrechtsorganisationen drückte sie ihren Wunsch aus, dass alle wissen sollen „wie sinnlos meine Rechte verletzt wurden“.
 
 
 

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