Der Iran spielt die "konfessionelle Karte"

Rainer Hermann schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die drohende „Erosion des Primats des schiitischen Islams“, die schon jetzt die religiösen Minderheiten des Landes zu spüren bekommen. Dabei benennt der in Abu Dhabi ansässige Korrespondent der Zeitung nicht allein die vordergründigen innen- und außenpolitischen Entwicklungen wie Mißwirtschaft und Korruptionsskandale als auch den Bedeutungsverlust angesichts der Umwälzungen in der arabischen Welt. Hermann gibt auch Einblicke in das führende Personal des Landes mit seinen ideologischen Verwerfungen und Pfründewirtschaft.

Das Gespann Ahmadineschad/Rahim-Maschaie ist für die Führung der Islamischen Republik zu einer doppelten Herausforderung geworden. Zum einen setzen sie zur Legitimation ihrer Politik zunehmend stärker auf den persischen Nationalismus als auf die Religion, zum anderen macht ihre Auslegung des schiitischen Islams die „Herrschaft des führenden Rechtsgelehrten“ (Welajat-e faqih) an der Spitze des Staats in letzter Konsequenz überflüssig. Vor allem Rahim-Maschaie beansprucht für sich, mit dem verborgenen 12. Imam, dessen Wiederkehr die Schiiten als Messias erwarten und den der „führende Rechtsgelehrte“ bis dahin zu vertreten vorgibt, in direktem Kontakt zu stehen. Und Ahmadineschad verhält sich, als ob dessen Rückkehr unmittelbar bevorstünde. Das aber untergräbt die Bedeutung des Klerus.
Revolutionsführer Chamenei sieht sich daher gezwungen, stärker denn je die ideologische Front der Islamischen Republik zu sichern. Dazu hetzt er gegen andere Religionen, die zur Erosion des Primats des schiitischen Islams in der Islamischen Republik betragen könnten. Die Schikanen, Prozesse und Razzien gegen die Bahai, deren Glaube aus der Schia entstand, hören nicht auf, und im vergangenen Sommer wurde die private Ersatz-Universität der Bahai in Teheran geschlossen. Sie war gegründet worden, weil die Bahai faktisch keine Chance mehr haben, eine öffentliche Universität zu besuchen. Mehr als 100 iranische Konvertiten zum Christentum wurden verhaftet, gegen ihren Pfarrer wurde ein Todesurteil ausgesprochen und bestätigt. Abgeschlossen scheint die Zerstörung aller sakralen Orte der mystischen Muslime Irans, der Sufis.

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