"Verzögerte Gerechtigkeit ist verweigerte Gerechtigkeit"

BERLIN, 4. Mai 2020 – Es ist 40 Tage her, dass das Todesurteil gegen den jemenitischen Bahá’í, Hamed bin Haydara, aufgehoben wurde. Der Präsident des Obersten Politischen Rates der Huthi in Sanaa hatte nicht nur Haydara begnadigt, sondern auch die Freilassung von fünf weiteren inhaftierten Bahá’í angeordnet. Bisher ist jedoch nichts geschehen. Menschenrechtsexperten und Parlamentarier weltweit fordern die Huthi-Behörden zur sofortigen Umsetzung dieser Anordnung auf. 
Am 25. März 2020 hatte Mahdi Al-Mashat in einer öffentlichen Fernsehansprache verkündet, dass die sechs einzig aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Haft befindlichen Bahá’í unverzüglich freigelassen werden. Die Anordnung folgte einer Welle des internationalen Protestes gegen die berufungsgerichtliche Aufrechterhaltung des Todesurteils gegen Hamed bin Haydara am 22. März 2020, dem sich auch die Bundesregierung anschloss. 
Diese öffentliche Ankündigung wurde von Menschenrechtsverteidigern und Religionsgemeinschaften mit großem Beifall und Anerkennung aufgenommen. Die Sonderstaatsanwaltschaft in Sanaa weigert sich aber bisher, diese Anordnung umzusetzen.
So äußerten sich UN-Menschenrechtsexperten einschließlich des UN-Sonderberichterstatters über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Ahmed Shaheed, am 23. April 2020:

“Wir begrüßten die Begnadigung von Herrn Haydara und die im vergangenen Monat vom De-facto-Regierungschef Mahdi Al Mashat erlassene Anordnung zur Freilassung aller Baha’i-Gefangenen. In der öffentlichen Ankündigung wurde eindeutig bekräftigt, dass alle Anklagen gegen sie fallen gelassen wurden und dass sie unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden. Wir sind jedoch überrascht und bestürzt, dass die Justizbehörden nach der Begnadigungs- und Freilassungsanordnung Bedingungen wie eine Kaution für die Freilassung der fünf Baha’i stellen, die derzeit vor Gericht stehen. Wir raten dringend von einer Rücknahme des offiziellen Beschlusses zur Begnadigung und Freilassung ab, der unmissverständlich mitgeteilt wurde. Dies würde die Grundrechte der Betroffenen verletzen. Die De-facto-Behörden im Jemen sollten alle Anklagen fallen lassen und Herrn Haydara und alle anderen Baha’i unverzüglich und ohne Bedingungen freilassen, um die von Herrn Al Mashat in seiner begrüßenswerten Begnadigungsankündigung gemachte Zusage einzuhalten.” 

Dem schloss sich die Internationale Parlamentariergruppe für Religionsfreiheit (IPPFoRB) am 28. April 2020 wie folgt an:

“Die Entscheidung des Obersten Politischen Rates, Haydara zu begnadigen und alle Baha’i-Gefangenen freizulassen, wäre bedeutungslos, wenn sie nicht umgesetzt wird. Diese Verzögerung zeigt deutlich die mangelnde Bereitschaft der Huthi-Behörden. Wir fordern die Huthi-Behörden eindringlich auf, die Anordnung zur Begnadigung Haydaras rasch und vollständig umzusetzen, die Anklage im Strafverfahren der über 20 Baha’i aufzuheben und alle sechs Baha’i, die sich im Gefängnis befinden, unverzüglich freizulassen, ohne sie weiter brutalen körperlichen Misshandlungen und psychischer Folter auszusetzen. Verzögerte Gerechtigkeit ist verweigerte Gerechtigkeit. Wir sind besorgt darüber, dass nun Bedingungen für die Freilassung der fünf Baha’is gestellt werden und administrative Rückschläge im Fall Haydara angeführt werden, was darauf hindeutet, dass die Behörden nicht aufrichtig sind und die Absicht haben, die Baha’i weiter zu verfolgen. Die öffentliche Ankündigung der Huthi-Behörden wäre nicht möglich gewesen, wenn es nicht eine solch scharfe Verurteilung durch die internationale Gemeinschaft gegeben hätte. Aber es wäre alles umsonst gewesen, wenn die Behörden ihrer Verpflichtung nicht nachkommen.”

Von links oben: Die Parlamentarier David Anderson (a.D.), Kanada, Kasthuri Patto, Malaysia, Aykan Erdemir (a.D.), Türkei, und Fernanda San Martin, Bolivien, setzen sich im Lenkungsausschuss des IPPFoRB  für die Freilassung der Bahá’í im Jemen ein.

Über die mangelnde Umsetzung der Freilassungsanordnung berichteten etwa Jerusalem Post, der Evangelische Pressedienst sowie die New York Times.

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